Donald Trump (Foto: Daniel Torok)

Die ersten 100 Tage der zweiten Amtszeit Donald Trumps: Eine geopolitische und innenpolitische Dekonstruktion

Die Rückkehr des Unerschütterlichen

Am 20. Januar 2025, in einem zeremoniellen Akt von globaler Tragweite, kehrte Donald J. Trump als 47. Präsident der Vereinigten Staaten an die Macht zurück. Die politische Welt hielt kollektiv den Atem an. Nach vier Jahren Opposition, nach juristischen Manövern und nach einem Wahlsieg, der von tiefen gesellschaftlichen Rissen begleitet war, nahm Trump erneut am Pult des amerikanischen Exekutivsystems Platz. Hundert Tage danach zeigt sich eine Amtsführung, die nicht nur irritiert, sondern den Begriff des „Regierens“ neu zu codieren scheint.

Amerikas innenpolitische Neuvermessung

Was Trump in den ersten Wochen seiner zweiten Amtszeit vollzog, war kein vorsichtiger Neustart, sondern ein rücksichtsloser Bruch mit institutionellen Konventionen. „Wir müssen Amerika zuerst wieder verstehen lernen“, erklärte er in seiner Eröffnungsrede, die weniger eine Vision als ein Befehl war. In den Bundesbehörden herrscht seither ein Klima der Disziplinierung. Dekrete ersetzten Gesetzesvorlagen, Gremien wurden marginalisiert, die Verwaltung auf Effizienz und Loyalität getrimmt.

Ein früher Tiefpunkt: Das Signal-Gate um Pete Hegseth

Eine der ersten institutionellen Erschütterungen in der zweiten Amtszeit Donald Trumps nahm ihren Ausgang im Pentagon. Im Zentrum: Verteidigungsminister Pete Hegseth. Unter Umgehung interner Sicherheitsvorgaben hatte dieser auf einem nicht autorisierten Computer einen privaten Zugang zur Messaging-App Signal eingerichtet, um vertrauliche Regierungsinformationen über eine eigens eingerichtete Internetverbindung weiterzugeben. Der Vorfall, der in der Presse rasch als „Signal-Gate“ firmierte, offenbarte nicht nur eklatante Verstösse gegen Kommunikationsprotokolle, sondern legte zugleich die politische Kultur offen, mit der das neue Kabinett operierte.

Besonders brisant: Die über Signal verbreiteten Inhalte umfassten konkrete Details geplanter militärischer Einsätze im Jemen – darunter Startzeiten, Waffensysteme und Einsatzkoordination. Diese Informationen wurden nicht nur mit Beratern, sondern auch mit Personen ausserhalb sicherheitsrelevanter Strukturen geteilt. Als der Journalist Jeffrey Goldberg von The Atlantic versehentlich einem der Gruppen-Chats hinzugefügt wurde, machte er den internen Verlauf öffentlich – mit verheerenden Folgen. Die Washington Post sprach von einem „Versagen der operativen Integrität“, Reuters zitierte anonyme Militärkreise mit den Worten: „Ein solcher Vorgang wäre unter jedem anderen Verteidigungsminister undenkbar gewesen.“

Die Konsequenzen blieben nicht aus: Mindestens fünf hochrangige Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums traten in den folgenden Tagen zurück, darunter Hegseths Stabschef Joe Kasper. Zwar hielt der Präsident öffentlich an seinem Minister fest, doch die institutionelle Glaubwürdigkeit der Sicherheitsbehörden war schwer beschädigt – ausgerechnet in einer Phase internationaler Eskalationen. Der Skandal wirkte wie ein Brennglas: auf eine Regierung, die sich ihrer eigenen Regeln zunehmend entzieht.

Zölle, Protektionismus und wirtschaftliche Reaktionen

Trumps protektionistischer Furor wurde früh manifest: Die Importzölle auf chinesische und europäische Waren wurden binnen Tagen verdoppelt. Der Effekt war unmittelbar. In einem Interview mit dem „Wall Street Journal“ erklärte der Ökonom Nouriel Roubini: „Die Vereinigten Staaten isolieren sich wirtschaftlich in einem Moment, in dem globale Kooperation überlebenswichtig wäre.“

Der wirtschaftliche Gegenschlag liess nicht auf sich warten. Die EU erhob Retorsionszölle auf amerikanische Maschinen und Technologie, China drosselte seine Sojaimporte, Kanada kündigte Kooperationen im Energiesektor. Die Wall Street reagierte mit Entsetzen: Innerhalb eines Monats verlor der S&P 500 fast ein Viertel seines Wertes. Unternehmen wie Ford und Apple gaben Massenentlassungen bekannt, mit dem Hinweis auf „unkalkulierbare Exportbedingungen“.

Soziale Verwerfungen und Migrationspolitik

Im Innern setzten sich die Umbrüche fort. Trumps neue Null-Toleranz-Strategie in der Migrationspolitik führte zu Massendeportationen und zur Reaktivierung stillgelegter Abschiebezentren. Die humanitären Folgen sind tiefgreifend. „Die Vereinigten Staaten sind dabei, ihr moralisches Fundament zu verlieren“, analysierte Michael Sandel, Professor für politische Philosophie an der Harvard University, in einem Gastbeitrag für die „New York Times“.

Parallel dazu verschärften sich die sozialen Verwerfungen. Die Lebenshaltungskosten stiegen rasant, während Löhne stagnierten. Infolge der protektionistischen Politik verteuerten sich Konsumgüter, Medikamente, Treibstoffe. Demonstrationen unter dem Motto „We can’t afford America“ eskalierten in mehreren Bundesstaaten.

Digitale Währung und Börsenentwicklung: Indikatoren einer fragilen Ordnung

Inmitten dieser Unruhe wurde Bitcoin erneut zur Projektionsfläche von Angst und Hoffnung. Der Kurs kollabierte, stieg, fiel erneut. Analystin Cathie Wood erklärte gegenüber Bloomberg: „Die Kryptomärkte reflektieren nicht mehr Zukunftshoffnungen, sondern reinen Reflex auf politische Instabilität.“ Auch die traditionellen Börsen blieben angeschlagen: Der Nasdaq verlor im ersten Quartal 2025 so viel wie seit der Dotcom-Blase nicht mehr.

Globale Reaktionen: Der Westen in der Kontraktion

Die Reaktionen in Europa fielen scharf aus. In der „Neuen Zürcher Zeitung“ sprach ein Leitkommentar von der „Renationalisierung der globalen Ordnung“. Bundesrätin Karin Keller-Sutter bezeichnete Trumps Wirtschaftspolitik als „systemgefährdend für offene Volkswirtschaften wie die Schweiz“. In Brüssel reagierte man mit pragmatischer Entschlossenheit: Die Handelsbeziehungen zu Südostasien wurden intensiviert, während die NATO sich auf eine post-amerikanische Führungssituation vorbereitete.

Bilanz nach hundert Tagen: Ordnung im Zangengriff

Was bleibt, ist eine zweigeteilte Nation. Die einen feiern Trump als Vollstrecker eines nationalen Erwachens. Die anderen sehen in ihm einen Zerstörer von Institutionen, Werten und internationaler Glaubwürdigkeit. Der Politologe Ian Bremmer brachte es im „Economist“ auf den Punkt: „Trump ist kein Unfall der Geschichte, sondern ihr Katalysator.“

Der gesellschaftliche Konsens der Vereinigten Staaten ist in Auflösung begriffen. Doch es gibt auch Gegenbewegungen: eine neue Generation junger Aktivisten, technologischer Idealisten und lokal verankerter Bewegungen, die eine post-trumpistische Zukunft zu entwerfen beginnen.

Schlussbetrachtung: Ein fragiles Imperium im inneren Sturm

Nach hundert Tagen zeigt sich, dass diese zweite Amtszeit Donald Trumps kein einfacher Appendix seiner ersten war. Sie ist rabiater, kalkulierter, global folgenreicher. Die Vereinigten Staaten befinden sich im Zustand einer demokratischen Fragilität, deren Ausgang offen ist. Ob sich aus dieser Krise neue Stabilität oder ein dauerhafter Systemwandel ergibt, bleibt eine Frage, die weit über die Grenzen Amerikas hinausreicht.

Die Welt schaut zu. Mit Sorge. Mit Faszination. Und mit einer wachsenden Einsicht: Was in Washington geschieht, hat das Potenzial, Ordnung oder Chaos zu multiplizieren – im Innersten der Demokratien weltweit.

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